Die Graffiti, die im Dezember 2020 am Mühlengraben entstanden, haben ab Januar 2021 die Gemüter und die Justiz bewegt. Da die Graffiti im öffentlichen Raum sind können sie jederzeit übermalt oder übersprüht werden und wären dann verschwunden. Daher haben wir uns gefreut, dass das Künstlerkollektiv „Stellwerk“ uns die Fotodokumentation angeboten hat. Das Städtische Museum verfügt über ein großes Fotoarchiv, dass auch viel für wissenschaftlich Zwecke genutzt wird. Wir sehen es daher als unsere Aufgabe an diese Bilder und die dazugehörige Auseinandersetzung um deren Inhalt zu dokumentieren, denn auch diese Auseinandersetzung um die Inhalte der Graffiti ist von stadtgeschichtlichem Interesse.
Debatten über Darstellungen im öffentlichen Raum haben übrigens in Göttingen eine gewisse Tradition. So wurde über das (zurzeit abgebaute) Relief an der Stadthalle in den 60ern und die Abbildungen auf der Tür zum Ratssaal Anfang der 80er kontrovers diskutiert und aufs Heftigste gestritten.
Die Geschichte ist voll mit Berichten über Bilderstreits; sie sind immer symptomatisch für die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse einer Zeit. Mit den abgebildeten Inhalten auf den Graffiti, werden aktuelle politischen Themen unsere Zeit angesprochen: die Situation von Flüchtenden, Seenotrettung, Feminismus, Rassismus… . Alles Themen die breit in unsere Gesellschaft diskutiert werden. Ein Museum sammelt und dokumentiert auch für die späteren Generationen: wie wird zu unserer Zeit mit den von uns zu bewältigenden Aufgaben umgegangen, worüber wird gestritten und was ist Konsens.
In jedem Fall bewegen diese Bilder. Daher Bewahren wir Fotos der Malerei, die uns die Fotografin Katrin Raabe freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Außerdem sammeln wir alle Mitteilungen zum Thema.
Graffiti zu erschaffen ist übrigens auch keine moderne Erfindung. Das Italienische Wort Graffiti leitet sich vom Alt-Griechischen γράφειν (graphein) her, ein Wort für schreiben, malen, zeichnen, ritzen. Schon in der Antike wurden Zeichnungen und Schrift aus Kreativität, Freude oder Unmut in Wände und Fassaden geritzt. Viele Graffiti aus der Zeit der Römer haben bis heute überdauert und sind zum Beispiel in Pompeji, das vor fast 2000 Jahren durch die Vulkanasche des Vesuvs verschüttet wurde, sichtbar.
Adina Eckart
Andrea Rechenberg