Nov 11, 2021

Von Kapstadt nach Göttingen

Es hat einige Zeit gedauert, aber nun sind sie endlich da: sechs Werke des jüdischen Malers Hermann Hirsch (1861-1934).

Es hat einige Zeit gedauert, aber nun sind sie endlich da: sechs Werke des jüdischen Malers Hermann Hirsch (1861-1934). Ausführliche Angaben über das Leben von Hermann Hirsch sind im Blogbeitrag vom 07.10.2021 „Hermann Hirsch (1861-1934) – ein jüdischer Maler in Göttingen“, verfasst von Dr. Ernst Böhme, zu finden.

Aus einem Privatbesitz in Kapstadt sind die Arbeiten dem Städtischen Museum Göttingen überlassen worden. Sie ergänzen unseren Bestand an Arbeiten des Künstlers in hervorragender Weise. Es handelt sich, neben einem Selbstportrait, um Portraits aus dem familiären Umfeld. Dadurch bekommen wir einen sehr persönlichen Eindruck von der weit verzweigten Familie des Künstlers.

Hermann Hirsch bevorzugte Motive waren Landschaften und Portraits. Dabei war er künstlerisch in seinem Stil nicht festgelegt. Er malte naturalistisch, impressionistisch und auch expressionistisch. Dies geschah jedoch nicht im Sinne einer künstlerischen Entwicklung, sondern er wandte die unterschiedlichen Stile nebeneinander an. In der Portraitmalerei bediente er sich oft einer überwiegend naturalistischen Darstellung in Kombination mit einer realistischen Helldunkelmalerei. Letztere leitet sich von Rembrandt (1606 – 1669) her und wurde auch im 19. Jahrhundert, in dem sich der Wandel zu einer ausgeprägten Farbigkeit und freieren Ausdrucksform vollzog, noch von einigen Portraitmalern, z. B. Franz von Lenbach (1836 – 1904), eingesetzt.

Unsere Neuzugänge weisen weitgehend eine Akzentuierung durch Hell-Dunkel-Kontraste, zumeist auf dunklem Grund, auf. Der Einsatz von Lichtreflexen lenkt unseren Blick auf den Kopf des Portraitierten. Durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten wird dessen Persönlichkeit greifbar und die Intensität des Gesichtsausdrucks gestärkt. So beeindruckt z. B. der melancholische, traurige Blick von Marianne. Sie lässt ihren Blick sehnsuchtsvoll in die Ferne schweifen. Vielleicht ist das Portrait nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges entstanden und vielleicht denkt Marianne an ihren Bräutigam, der im Ersten Weltkrieg als Meldereiter eingesetzt war.

Unsere neuen Portraits sind sehr ausdrucksstark, wodurch das Interesse geweckt wird, mehr über die Familie von Hermann Hirsch und deren Schicksal zu erfahren. So ist die Inventarisierung unserer Neuzugänge eine spannende Aufgabe.

Über Simone Hübner

Simone Hübner ist Kuratorin im Städtischen Museum Göttingen.