Jun 26, 2020

Uraufführung!

Heute, vor genau hundert Jahren, am 26. Juni 1920 um 19:00 Uhr hebt sich im Stadttheater Göttingen (heute Deutsches Theater) der Vorhang für die Aufführung der Händel Oper Rodelinde.

Fotografie Uraufführung Rodelinde, 26.Juni 1920 im Stadttheater Göttingen Bühnenbild: Paul Thiersch III. Akt, Schlossgarten, Schlussbild.

Zu diesem feierlichen Anlass zeigen wir am Jubiläumstag zwischen 19:00 und 21:00 Uhr hier abrufbar, den Film aus der Ausstellung über die vergangenen 100 Jahre der Händel-Festspiele (38 min.)Im Stadttheater singen, spielen und tanzen Profis und Amateure. Begleitet werden sie von der Akademischen Orchestervereinigung Göttingen, einem engagierten Laienorchester.

Dies ist die erste Aufführung einer Händel-Oper seit fast 200 Jahren. Musikalisch wird Neuland beschritten. Die Göttinger Aufführung ist der Festakt zur Jahreshauptversammlung des Universitätsbundes 1920. Gesungen wird auf Deutsch. Händel hatte, wie es für seine Zeit üblich war, das Libretto für Rodelinda in Italienisch anfertigen lassen. Nun, in der Übersetzung von Thyra Hagen-Leisner wird aus „Rodelinda“ „Rodelinde“. Das ist nicht aber nicht die einzige Veränderung, auch die Arien sind stark eingekürzt und die Musik bearbeitet. Am 28.06 und 29.06 wird die Aufführung wiederholt und somit auch außerhalb des Universitätsbundes für ein breites Publikum geöffnet. Die Aufführungen werden ein großer Erfolg.

Der Universitätsbund hatte schon vor der Premiere deutschlandweit Anzeigen schalten lassen und Rezensenten gezielt eingeladen. Nach der Aufführung werden zusätzlich eigene Rezensionen an Zeitungen verschickt. Diese professionelle Öffentlichkeitsarbeit trägt den Erfolg der Opernaufführung in Göttingen über die Stadtgrenzen hinaus. Deutschlandweit gibt es ein positives Echo. Mit der Uraufführung der Rodelinde beginnt die sogenannte Händel-Renaissance. Bis 1927 wird die Göttinger Fassung von Rodelinde in Deutschland auf 21 Bühnen 136 Mal gezeigt.

An dem Projekt Händel-Oper sind viele beteiligt. Der Universitätsbund finanziert und organisiert, die Akademische Orchestervereinigung Göttingen wird zum Festspielorchester, die Stadt Göttingen stellt das Theater in der Sommerpause zur Verfügung. Einige der beteiligten Künstler von außerhalb, finden in Göttinger Bürgerfamilien ihre Unterkunft. Der damalige Bürgermeister von Göttingen, Georg Calsow hatte im Vorfeld gezielt Bürgerinnen und Bürger angeschrieben und um die    Zurverfügungstellung von Schlafmöglichkeiten gebeten. Die Resonanz auf diesen Aufruf ist groß. In den nächsten Jahren entwickelt sich aus den privaten Unterbringungen eine beliebte Tradition. 1921 bei den zweiten und 1923 bei den vierten Händel-Festspielen wird zusätzlich zu weiteren, neu bearbeiteten Händel Opern, Rodelinde wieder mit ins Programm aufgenommen. Mit der Aufführung der Oper Rodelinde wird der Grundstein für die Händel-Gesellschaft und die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen gelegt.

Die aktuelle Sonderausstellung Händel_Göttingen_1920 zeigt neu Dokumente, alte Fotografien, erstmals gezeigte Objekte und stellt alle Protagonisten vor, die an der Händel-Renaissance beteiligt waren. In der Ausstellung zu sehen ist ein eigens hierfür produzierter Film „Vom lokalen Projekt zu einem internationalen Großevent“. Mit historischen Aufnahmen, Interviews und Zeitzeugen gibt er einen unterhaltsamen Überblick über die vergangen hundert Jahre der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen.

Über Andrea Rechenberg

Andrea Rechenberg ist Leiterin des Städtischen Museums Göttingen.