Tätigkeitsbericht 2020

Vorbemerkung

 

 

Der Tätigkeitsbericht 2020 folgt nicht der üblichen Gliederung. Die im Jahr 2020 ausgebrochen Corona Pandemie, mit den für die gesamte Bevölkerung einhergehenden Beschränkungen, hat auch die Arbeit im Museum stark beeinflusst.

So war das Museum während des ersten und zweiten Lockdowns geschlossen. Schließzeiten waren vom 13.03.2020 bis zum 26.05 2020 und vom 02.11. bis zum 16.01.2021.

Nach einer sehr erfolgreichen Eröffnung der Sonderausstellung Händel_Göttingen_1920 mit 340 Gästen in der Aula am Wilhelmsplatz und einem großen, medialen Echo, musste die Ausstellung nach zwei Wochen schließen.

Viele Kolleg*innen aus der Aufsicht wurden von der Stadt anderweitig eingesetzt, so z.B. bei der Hotline der Stadt, im Gesundheitsamt, beim Ordnungsamt und ähnlichem. Diejenigen denen es möglich war, nahmen das Homeoffice Angebot der Stadt wahr, die Mitarbeiter*innen der Werkstatt, die die Wartung aller Geräte im Museum und Depot durchführt, die Reinigungskraft, die täglich desinfizieren musste und die Leitung waren jeden Tag im Museum.

Zur Öffnung im Juni 2020 wurde ein Hygienekonzept entwickelt und die Besucherzahl reglementiert. Praktikanten wurden nicht angenommen und die ehrenamtlichen Kräfte des Museums blieben zu Hause. Damit gelang es, für die Kollegen*innen nach dem Lockdown, ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen mit einem eigenen Arbeitsraum für jeden und jede.

 

Leitungswechsel

 

Zum Ende Februar 2020 beendete der Leiter des Museums Dr. Ernst Böhme sein Dienstverhältnis bei der Stadt Göttingen. Ursprünglich Leiter des Stadtarchivs, wurde er zusätzlich ab 2006 auch Leiter des Museums. Seit dieser Zeit zeigte das Museum 27 Ausstellungen plus 9 kleinere Präsentationen. Hinter den Kulissen erlebte das Haus eine große Weiterentwicklung in Bezug auf den Umgang mit Objekten und in der wissenschaftlichen Dokumentation. Ernst Böhme führte ein neues Inventarisierungsverfahren ein und damit das Haus ins digitale Zeitalter. Zunächst mit einem digitalen Inventarisierungssystem, später dann mit einer eigenen Museumswebseite. Ernst Böhme setzte sich ebenso erfolgreich dafür ein, wieder ein Volontariat am Museum zu etablieren. Ein besonderer Verdienst war sein großes Engagement in der Provenienzforschung. Dies führte unter anderem dazu, dass das Städtische Museum Göttingen das erste Museum in Niedersachsen war, das bereits 2015 an die Nachfahren der jüdischen Familie Hahn Objekte restituieren konnte.

Als das Museum wegen drohender Einsturzgefahr im Jahr 2008 in eine Sanierungsphase eintrat, die dann 4 Jahre später unterbrochen wurde und bis heute nicht weitergeführt wurde, machte er das Museum zu einem öffentlichen Ort der kulturellen Begegnung und Veranstaltungen der Stadtgesellschaft. Die immensen Versäumnisse seiner Vorgänger erkennend, hat das Wirken von Ernst Böhme zu einem enormen Professionalisierungsschub der Arbeit des Städtischen Museums Göttingen geführt.

Besonders bedauerlich war es, dass die Pandemie eine gebührende Verabschiedung unmöglich machte. Ein geplantes Kolloquium im März musste abgesagt werden.

Ab dem 01.03.2020 übernahm Andrea Rechenberg M.A. die Leitung des Städtischen Museums.

Sanierungskonzept

 

Die Sanierung der Remise stand 2020 weiterhin still. Der Beschluss, gefasst am 21.11.2019 im Ausschuss für Kultur und Wissenschaft/Betriebsausschuss der Stadthalle, in 2020 ein Sanierungskonzept für das Museum in Auftrag zu geben, wurde zunächst durch einen Ideenwettbewerb angeschoben. Drei Architekturbüros wurden aufgefordert ihre Vorstellungen von einer Museumssanierung, plus Verbesserungen der Zugänglichkeit, unter Einbeziehung der Vorgaben des Museums zu entwickeln.

Dazu fanden drei Kolloquien statt: das Auftaktkolloquium am 25.09.2020, ein Zwischenkolloquium am 26.10.2020 und das Abschlusskolloquium am 04.12.2020.  Aus den drei Vorschlägen der teilnehmenden Büros sollte eine Vorzugsvariante entwickelt werden. 

Die Vorgabe, bis zum Sommer eine Vorzugsvariante vorlegen zu können, wurde nicht eingehalten. Bei der Kulturausschusssitzung im Juni 2021 wurde den Ausschussmitgliedern mitgeteilt, dass die Bauverwaltung kein Konzept hat erarbeiten können. Eine neue Frist wurde nicht in Aussicht gestellt.

 

Besucher

 

Im Museum:  1872

In der Digitalausstellung mit langer Verweildauer: 11.000

Kooperationspartner

 

Mit folgenden Partnern arbeitete das Museum im Berichtszeitraum zusammen:

  • Deutsches Zentrum Kulturgutverluste
  • Ernst von Siemens Kunststiftung
  • Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Hildesheim
  • Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgeschichtliches Seminar
  • Internationale Händel-Festspiele Göttingen
  • Jüdisches Museum Berlin – Michal Friedlander
  • Landesverband der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen
  • Landschaftsverband Südniedersachsen
  • Klosterkammer Hannover
  • Netzwerk Provenienzforschung Niedersachsen
  • Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
  • Sparkasse Göttingen
  • Stadtarchiv Göttingen
  • VGH-Stiftung

 

Sonderausstellung

 

Händel_ Göttingen_1920    23.02.2020 – 16.05.2021

Auf Wunsch der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen wurde die Sonderausstellung über den ursprünglich geplanten Ausstellungszeitraum hinaus bis zum 11.10. 2020, verlängert. Dahinter stand die Hoffnung, die Feierlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen der Händelfestspiele in Göttingen im Herbst 2020 nachholen zu können.

Museum digital

 

Während des ersten Lockdowns begannen die Arbeiten des Städtischen Museums an einem digitalen Format der aktuellen Sonderausstellung. So war es möglich, die Inhalte der Ausstellung weiterhin öffentlich zur Verfügung zu stellen.

Die Ausstellung Händel_Göttingen_Digital  wurde sehr erfolgreich und hatte zum Jahresende 2020  bereits über 11.000 Besucher. So wie die analoge Ausstellung, wurde auch die digitale Ausstellung zweisprachig, deutsch/englisch angeboten.

 

Öffentlichkeitsarbeit

 

Von Nationalen und Internationalen Museumsverbänden im ersten Jahr der Pandemie dazu aufgerufen, legt auch das Museum Göttingen seinen Arbeitsschwerpunkt auf die digitale Öffentlichkeitsarbeit.

Voraussetzung dafür war der Relaunch der Internetseite des Museums: die Seite wurde auf das WordPress-System umgestellt und das Museum gestaltete aktiv die Grafik und die Inhalte.

Seiten wurden neu aufgebaut, Kategorien und Navigationspunkte entwickelt oder weiterentwickelt. Die Gebrauchstauglichkeit und die Benutzerfreundlichkeit wurden insgesamt verbessert, hinsichtlich Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung. Zuvor war die Internetseite des Museums nicht für tragbare Geräte geeignet.

Auf dem Blog veröffentlichte das Museum 19 Beiträge.

Der neue Instagram Account des Museums: museumgoe, war ein wichtiger Baustein der Öffentlichkeitsarbeit des Museums im Pandemiejahr 2020. Mit 71 Beiträgen, 9 Videos und 8 Storys konnten bis zum Jahresende bereits über 1000 Follower gewonnen werden.

Dauerausstellung

 

Im 1. OG wird weiterhin die Ausstellung „Stadt. Macht. Glaube. Göttingen im 16. Jahrhundert“ präsentiert. Der Eintritt ist frei.

So wie in der Sonderausstellung, wurden auch hier die insgesamt 11 Audiostationen auf QR-Code umgestellt, so dass jeder/jede Besucher*in die Möglichkeit hat, mit ihrem persönlichen Smartphone, die Beiträge abzurufen.

Anfragen

 

Auffällig war die große Zahl von Anfragen von Privatpersonen. Zu vermuten ist, dass im Lockdown viel aufgeräumt wurde.

Insgesamt, einschließlich wissenschaftlicher Anfragen, wurden vom Museum 239 Anfragen bearbeitet.

Veranstaltungen

 

Bedingt durch die Pandemie, musste das umfangreiche Begleitprogramm zur Sonderausstellung Händel_Göttingen_1920 vollständig abgesagt werden.

Am 22.07.  veranstaltete der Museumsverband für Niedersachsen und Bremen eine Weiterbildung mit 7 Personen im Museum zu dem Thema „Rechtsfragen rund um Marketing und Internet“,

Am 23.05. war Andrea Rechenberg Gesprächspartnerin von Tobias Wolff beim digitalen Händel-Talk 

Am 06.06. nahmen Tobias Wolff und Andrea Rechenberg mit einem Livestream aus dem Museum Göttingen an dem digitalen Händelfest in Halle teil.

 

Ausstellungen anderer Institutionen

 

Die für das Jahr 2020 bereits vorangefragten Leihanfragen anderer Museen wurden alle verschoben.

 

Wissenschaftliche Vorträge, Tagungen/Fort- und Weiterbildung

 

Fast alle für das Frühjahr terminierten Fortbildungen und Veranstaltungen im Museumsbereich wurden auf den Herbst verschoben, um dann wegen der steigenden Inzidenzwerte zum Herbst hin doch auszufallen.

Die Volontärin Adina Eckart nahm am 01.07.2020 an einem Webinar „Social Media Marketing“ von der „Initiative Kulturkommunikation“ teil.

 

Restitution von „arisiertem“ Kulturgut

 

Das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) geförderte und bis zum 30. Juni 2020 befristete Provenienzforschungsprojekt „Arisierung und Neukonzeption. Die Sammlungspolitik des Städtischen Museums 1935-1939“ wurde beendet.

Die Gespräche mit den Nachfahren der Familie Kahn über die Restitution, der ihren Vorfahren NS-verfolgungsbedingt entzogenen Objekte, konnten abgeschlossen werden. Wesentliche Voraussetzung für die Restitution ist, dass die Stadt Göttingen die Verantwortung für das Unrecht anerkennt, das während der Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes an den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Göttingens begangen wurde. Die Erben der Familie Kahn haben sich entschieden, sich diesem Angebot zu öffnen und den Nachfahren der Täter zu vertrauen. Die Objekte der Familie Kahn wurden restituiert und als dauerhafte Leihgabe der Obhut des Städtischen Museums überlassen. Dort sollen sie künftig an die Geschichte der Göttinger Juden und speziell der Familie Kahn erinnern.  

 

Pflege des Sammlungsbestandes

 

  • Ritterplan, Außendepot und Stickstoffbehandlung

Während des gesamten Berichtszeitraums wurden im Außendepot und am Ritterplan die Maßnahmen zur Präventiven Konservierung und zur Schädlingsbekämpfung fortgesetzt.  Eine geplante Stickstoffbehandlung im Landesmuseum Hannover wurde aufgrund der Pandemie verschoben.

Grundsätzlich sind sie aber wieder möglich. Die in Kraft getretenen Biozid-Verordnung (EU Nr. 528/2012) wurde nun auch in Deutschland für Museen angepasst und erlaubt. Die Stickstoffkammer des Landesmuseum Hannover ist wieder in Betreib.

  • Restaurierung

Aufgrund einer hundertprozentigen Förderung durch die Fielmann-AG, konnte von der Dipl.-Restauratorin Viola Bothmann das Gemälde:  Brustbild Johann Heinrich Voß (1751-1826), unsigniert, welches beträchtliche Schäden aufwies, restauriert werden.

Das Gemälde „Sterbender Krieger“, unsigniert, wahrscheinlich Florenz, 17. Jahrhundert (Inventarnummer GG246), dass sich als Dauerleihgabe in der Kunstsammlung der Universität Göttingen befindet, konnte von der Restauratorin (M.A.) Chilia Rachel Busse in der HAWK in Hildesheim restauriert werden. Möglich wurde dies, durch ein von der Ernst von Siemens Stiftung in der Pandemie aufgelegtes neues Förderprogramm “ Corona und Selbständige in Museen und Sammlungen“. Dieses Programm übernahm sämtliche Kosten und dient zur Unterstützung von selbständigen Restauratoren*innen.

 

Inventarisierung und Dokumentation

 

Die Dokumentation und Inventarisierung des Sammlungsbestandes am Standort Ritterplan wurde fortgesetzt. Wie schon in den Vorjahren mussten dabei die großen Versäumnisse der Vergangenheit aufgearbeitet werden.

Zunächst als Dokumentation für das Fotomagazin gedacht, hat das Museum 2020 begonnen eine Bilddokumentation über Göttingen in der Pandemie anzulegen, davon ausgehend, dass die sichtbaren Veränderungen im Stadtbild, in Handel, Kultur und gesellschaftlichem Miteinander, Ende 2020 vorbei sein werden.

 

Einwerbung von Fördermitteln und Sponsoring

 

Im Berichtszeitraum konnten von Privatpersonen und Institutionen 18.195,- Euro als Fördermittel eingeworben werden.

Das Museum dankt seinen Förderern und Sponsoren:

Rotary Club Göttingen

Ernst von Siemens Kunststiftung

Wohnungsgenossenschaft eG Göttingen

Landschaftsverband Südniedersachsen

VGH-Stiftung

Sparkasse Göttingen

 

Personal

 

Das Städtische Museum Göttingen war einer der Projektpartner in dem Programm „Challenge Abroad“ der Beschäftigungsförderung Göttingen für junge slowenische Erwachsene. Die ausgebildete Fotografin Branka Keser, aus Ljubljana fotografierte ausgewählte Objekte im Außendepot und im Grafikmagazin. Die Fotos wurden in die Datenbank FirstRumos eingebunden. Das Praktikum startete am 10.03. und musste aufgrund der Pandemie am 19.03. vorzeitig beendet werden. Betreut wurde die Praktikantin von Simone Hübner M.A.

Weitere Praktikant*innen wurden 2020 aufgrund der Pandemie nicht angenommen. Auch der Zukunftstag für Schüler*innen fiel 2020 aus.

Im Berichtszeitraum betreute Andrea Rechenberg M.A. die Ausbildung der wissenschaftlichen Volontärin Adina Eckart.

 

Andrea Rechenberg M.A.