Aug 25, 2022

Sieglein, Sieglein…

Praktikumsbericht aus der Siegelsammlung, Teil I.

Im Städtischen Museum Göttingen liegt hinter unscheinbar wirkenden Kartons versteckt eine Lacksiegelsammlung mit über 3.000 Siegelabdrücken. Von dem Siegel Maximilians II. bis hin zu Oblatensiegeln von sächsischen Herzögen, von Siegelkapseln bis hin zu Siegelheften – schnell stellte sich bei der Inventarisierung der Siegelabdrücke heraus, dass Siegel nicht gleich Siegel ist.

Siegelabdruck von Kaiser Maximilian II. (1527-1576)

 

Der Begriff Siegel kommt aus dem Lateinischen (sigillum) und meint so viel wie „kleines Zeichen“ und spielt damit schon auf die Verwendung an. Sie wurden meist als Erkennungszeichen und zur Legitimation verwendet. Unter dem Begriff „Siegel“ können jedoch zwei Sachen verstanden werden: Er kann einerseits den Siegelstempel, auch Typar oder Petschaft genannt, meinen, oder aber den Abdruck, der mit diesem gefertigt wird.

Die Siegel(abdrücke) konnten als Verschlussmittel von Briefen oder ähnlichem verwendet werden, um sicherzugehen, dass die Sendung nicht unbemerkt geöffnet wurde. Viel häufiger diente ein Siegelabdruck aber als „Ausweis“ des Auftraggebers. Somit konnten Boten einerseits nachweisen, dass das Dokument wirklich von dem Verfasser stammte. Andererseits dienten Abdrücke auf Urkunden auch zur Repräsentation der Siegelführer*innen. Eine Urkunde war (und ist) zudem nur gültig und rechtswirksam, wenn sich darauf das entsprechende Siegel befindet.

Das älteste Göttinger Stadtsiegel, aus: Meyermann, Georg: Göttinger Hausmarken und Familienwappen, Göttingen 1904, Taf. 1.

 

Siegel fanden bereits im alten Orient sowie in der griechischen und römischen Antike Verwendung. Ihre Bedeutung wuchs ab dem frühen Mittelalter, womit sich auch der Kreis der Siegelführer erweiterte. Hatten anfangs nur Papst und Kaiser ein Siegel, führten bereits im 11. Jahrhundert geistliche – Bischöfe, Äbte, Äbtissinnen und Kirchen – und weltliche Fürsten selbstständig Siegel. Im 12. Jahrhundert entstanden erste Siegel von Körperschaften, somit auch Stadtsiegel. Das älteste erhaltene Siegel der Stadt Göttingen stammt aus dem Jahre 1278.

Gleichzeitig etablierte sich bei bedeutenden Siegelführern die Verwendung von verschiedenen Siegeln, welche sich in Größe und Umschrift unterschieden: Besonders wichtige Urkunden wurden mit dem sogenannten „Großen Siegel“ (sigillum maius) versehen. Auf diesem Hauptsiegel war meist der Herrscher auf dem Thron zu sehen. Für andere Angelegenheiten entstanden kleinere Siegel (sigillum minor): Geschäftssiegel, Signets und Sekretsiegel. Letzteres wurde anfangs ausschließlich für die Korrespondenz verwendet, um das Geheimnis (secretum) des Briefes zu bewahren.

Mit einem allgemeinen Aufschwung an Schriftlichkeit ab dem 13. Jahrhundert in Europa, fand das Besiegeln von Texten und Dokumenten rasch Verbreitung. Bald führten nicht nur Fürsten und Städte Siegel, sondern auch der niedere Adel, Bauern, Universitäten inklusive ihrer Fakultäten, Zünfte, Gilden und Gerichte eigene Siegel. Im 16. Jahrhundert wurde nach und nach neben dem Siegel die eigenhändige Unterschrift ergänzt, welche sich schließlich durchsetzte. Heute finden wir Siegelabdrücke immer noch auf hoheitlichen Rechtsdokumenten.

 

Siegelabdrücke verschiedener Fürsten, aus Siegellack auf Papier

Siegelabdruck von Gottfried August Bürger, seine zweite Frau Molly (Auguste Leonhart) darstellend

Siegel der Bäckergilde zu Moringen, in Siegelkapsel

 

Teil II. folgt.

Über Amélie Rosenberger

Amélie Rosenberger war vom 25. 07. - 19. 08. 2022 Praktikantin am Städtischen Museum Göttingen.