An diesem Wochenende beginnt sowohl Ostern als auch das jüdische Pessach-Fest.
An Pessach wird der Auszug des jüdischen Volkes aus Ägypten gefeiert. Es gehört zu den wichtigsten Festen des Judentums.
Am Sederabend, dem Auftakt des Festes, wird durch den Verzehr symbolischer Speisen an die Befreiung aus der Sklaverei erinnert. Gegessen wird bspw. nur ungesäuertes Brot (Matze), da beim Aufbruch aus Ägypten keine Zeit blieb, den Brotteig zu säuern. Bittere Kräuter erinnern an die bittere Zeit der Sklaverei. Charroset, eine Mischung aus gekochten Äpfeln, Mandeln, Nüssen und Feigen, mit Zimt gewürzt, symbolisiert den Lehm, aus dem in der Sklaverei Ziegel gebrannt werden mussten. Salzwasser steht für die in der Sklaverei vergossenen Tränen.
Die Speisen werden meist auf einem speziellen Sederteller angerichtet. Selten wurden und werden jedoch auch solche aufwendigeren Tafelaufsätze verwendet.
Dieser Tafelaufsatz ist aus schwarz lackiertem Blech gefertigt und mit farbigen Malereien von heimischen Blumen und Blättern verziert. Auf den Tafelaufsatz werden Schälchen mit den rituellen Speisen gestellt, im Inneren ist Platz für die Matzen.
Auf der Vorderseite sind in goldgelb schimmernden hebräischen Buchstaben (aschkenasische Quadratschrift) mnemotische Stichworte für den rituellen Ablauf des Sederabends (Seder = Ordnung), i.e. des rituellen Mahls, aufgetragen:
Gelesen von rechts nach links:
- Kadesch קדש – Rezitation von Kiddusch, d.h. dem Segensspruch, und der erste Becher Wein
- Urchatz ורחץ – Waschen der Hände
- Karpas כרפס – Vorspeise, das Karpas – „Erdfrucht“, d.h. Kartoffel oder Zwiebel – wird in Salzwasser getaucht und gegessen
- Jachatz יחץ – Brechen der Matze und Verstecken des Afikomans, eines Matzenstücks für die Kinder
- Magid מגיד – Nacherzählung des Auszuges aus Ägypten; die Kinder fragen: „Weshalb ist dieser Abend anders als alle anderen?“, die vier Fragen: „Weshalb das Eintauchen? Warum nur Matze? Wozu die bitteren Kräuter? Warum entspannen wir uns und essen auf der linken Seite wie die Könige?“ und der zweite Becher Wein
- Rochtzo ( רחצ)ה – Waschen der Hände und sprechen der Bracha (Segen)
- Mozie מוציא – Segen über das Brot
- Mazza מצה – Verzehr der Matze
- Maror מרור – bittere Kräuter werden mit Charosset gegessen
- Korech כ)ו(רך – die Matze werden mit Maror und Charosset gegessen
- Schulchan Orech שולחן ע)ו(רך – festliches Mahl
- Zafun צפון – der Afikoman wird von den Kindern aus dem Versteck zurückgebracht und gegessen
- Bairach ( ב)רך – Der dritte Becher Wein als Dank nach dem Mahl, öffnen der Haustür und rezitieren der Passage, die den Propheten Elias einlädt in Vorwegnahme der bevorstehenden Erlösung zu erscheinen
- Hallel ( ה)לל – Preisung und der vierte Becher Wein
- Nirza ( נ)ירצה – Annahme
Dieser Tafelaufsatz wurde wohl um 1850 in einer Werkstatt in Koblenz gefertigt. Dem Städtischen Museum Göttingen wurde er 1899 von Emma Schlesinger geschenkt. Schlesinger (1850-1923) war Sprachlehrerin in Göttingen. Ihr Vater Baruch Schlesinger (1814-1885) kam aus Goslar nach Göttingen und war Lehrer an der Jüdischen Schule in Göttingen.
Dieser Tafelaufsatz zum Pessachfest in seiner Machart einmalig. Laut Kuratorin Michal Friedlander M.A. (Jüdisches Museum Berlin) sind keine vergleichbaren Geräte bekannt.