Aug 20, 2021

Neue Erkenntnis…

…zu einem Aquarell in unserer grafischen Sammlung.

Göttingen Jakobikirche und Weender Straße Aquarell 5.12.1860

Es zeigt den Turm der Jacobikirche von der Weender Straße aus gesehen. Im Eingangsbuch wird das unsignierte und auf den 5. Dezember 1860 datierte Blatt John Louis Petit (1801-1868) zugeordnet. Tatsächlich kann es seiner Schwester Emma Petit (1808-1895) zugeschrieben werden.

Wie lässt sich das erklären? Zu Lebzeiten war John Louis Petit aus Lichfield, England, ein anerkannter Vortragsredner und Verfasser von Schriften über kirchliche Bauwerke. Und er galt als ein außergewöhnlicher Aquarellmaler. Hauptsächlich lag es John Louis Petit daran, Kirchenbauten im städtebaulichen Gefüge darzustellen, also aufzuzeigen, in welcher ‚ganz natürlichen‘ architektonischen Umgebung sie standen. Dadurch sollte betont werden, dass die Kirchenbauten mit der sie umgebenden Architektur ein harmonierendes Ensemble bilden. Seine Arbeiten hat John Louis Petit nicht zum Kauf angeboten, vielmehr hat er sie zahlreich als Illustrationen bei seinen Vorträgen eingesetzt.

John Louis Petit fand seine Motive sowohl in seinem Herkunftsland als auch auf seinen Reisen. Diese führten ihn u.a. nach Griechenland, Italien, Spanien und Deutschland sowie nach Ägypten oder Syrien. Seine Schwester Emma begleitete ihn oft und fertigte ebenfalls Zeichnungen an. Beide signierten ihre Aquarelle nicht, erst in späteren Jahren datierte Emma Petit ihre eigenen Zeichnungen rückseitig.

Rückseite, handschrifltich: Göttingen, 5th Dec 1860

Nach John Louis Petits Ableben verblieben die Zeichnungen bei seinen Angehörigen und kamen erst in den 1990er Jahren in den Verkauf. Dabei konnte es sein, dass sich unter den Werken von John Louis Petit ebenfalls Arbeiten seiner Schwester Emma Petit befanden und somit nicht korrekt identifiziert wurden.

Seit einigen Jahren befasst sich die JL Petit Society in Großbritannien mit der Erfassung seiner Werke und deren kunsthistorischer Bedeutung sowie mit der Würdigung John Louis Petits als Künstler und Architekturtheoretiker. Dabei wird auch das familiäre Umfeld und deren künstlerische Betätigung wie die Arbeiten von Emma Petit berücksichtigt. Anhand eines Handschriftenvergleichs auf der Rückseite unseres Blattes konnte es nun Emma Petit zugeschrieben werden.

Über Simone Hübner

Simone Hübner ist Kuratorin im Städtischen Museum Göttingen.