Jan 14, 2022

Gesundheit aus der Kiste

Ein erstes Objekt für die kommende Sonderausstellung?

Bereits in der Antike und bis ins 19. Jahrhundert gehörte der Aderlass zu den beliebtesten Heilmitteln der europäischen Medizin. Beim Aderlass wird durch einen kleinen Einschnitt eine Vene oder Arterie geöffnet, sodass Blut abfließen kann.

Seinen Ursprung hat der Aderlass vermutlich in der antiken Humoralpathologie, auch bekannt als Säftelehre.

Besonders im Mittelalter war die Auffassung verbreitet, Krankheiten entständen als Folge eines Ungleichgewichts der vier Körpersäfte: Gelbe Galle, Schwarze Galle, Blut und Schleim. Durch den Aderlass sollte das Gleichgewicht und somit die Gesundheit der Patienten wieder hergestellt werden.

Auch in der Frühen Neuzeit gehörte der Aderlass zu den beliebtesten medizinischen Heilmethoden. Wichtiger als die Säftelehre war hier jedoch die Angst vor spezifischen schädlichen und krankhaften Stoffen, die sich im Körper ansammelten.

Blut galt als potenzieller Träger von Krankheitsstoffen, die über die Nahrung oder unreine Luft in den Körper gelangen konnten oder sich direkt im Körperinneren bildeten. Beispielsweise im Magen bei nicht ausreichender Verdauung, durch eine Überhitzung der Leber oder die „Verstopfung“ einzelner Organe.

Der Aderlass diente dann primär dazu, die schädlichen Stoffe aus dem Körper auszuleiten. Nach dem Ableiten unterschiedlich großer Blutmengen, sollte der Körper das entfernte Blut durch frisches und gesundes Blut ersetzen.

Lange gab es kaum eine Krankheit, bei der Blutentzug nicht als hilfreiche Behandlungsmethode galt. Der Duderstädter Pestarzt Henricus Wolfius empfiehlt den Aderlass 1666 als eine hilfreiche Methode zur Heilung der Pest. Auch Gesunden wurde ein „präventiver Aderlass“ zur sorgfältigen Reinigung des Körpers geraten. So sollte eine Erkrankung verhindert werden.

Der „präventive Aderlass“ wurde zeitweise als wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebensstils angesehen und ohne konkrete Erkrankung regelmäßig angewendet. Durchgeführt wurde der Aderlass in der Regel nicht von akademisch gebildeten Ärzten, sondern von Badern, Barbieren und Wundärzten.

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts verlor der Aderlass als medizinisches Allheilmittel an Bedeutung.

Bei einem Aderlassschnepper handelt es sich um eine Weiterentwicklung der einfachen, im Mittelalter verwendeten Aderlassflieten. Die Klingen der Flieten wurden durch Aufschlagen in die Adern getrieben. Die im 17. Jahrhundert aufkommenden Schnepper verfügen im Inneren über einen Federmechanismus, der die Klinge blitzschnell in die Ader schnellen lässt. Dadurch sollte das Schmerzempfinden beim Aderlassen verringert werden.

Der hier gezeigte Schnepper ist auf das 18. Jahrhundert datiert und stammt aus Besenhausen. Dem Städtischen Museum Göttingen wurde er 1898 von einem Herr v. Winzingerode geschenkt. Vermutlich handelt es sich um den Freiherr Levin von Wintzingerode-Knorr, der dem Museum schon vorher mehrere Objekte gestiftet hat. Seine Frau Bertha von Hanstein-Besenhausen war die Erbin des Ritterguts Besenhausen.

Für Ende März ist die Eröffnung unserer nächsten Sonderausstellung geplant. Ein Zusammenhang zwischen diesem Beitrag und der kommenden Ausstellung darf vermutet werden.

Über Iris Olszok

Iris Olszok ist wissenschaftliche Volontärin im Städtischen Museum Göttingen.