Dreieinhalb Stunden. So lange soll das Promotionsverfahren der 17jährigen Dorothea Schlözer am 25. August 1787 im Michaelishaus gedauert haben. Damit war sie die erste Frau, die an der Georg-August-Universität Göttingen, und in Deutschland erstmals in Philosophie, promoviert wurde.

Kupferstich, bez.: gez. von Fiorillo, Göttingen 1790., gest. von Schwenterley. Dorothea Schlözer, denn Frau Bürgermeisterin Rodde in Lübeck, auch Doctor der Philosophie. Ovale Bildnisrahmung.
Der Kupferstich unserer grafischen Sammlung zeigt sie als 20jährige. Ihr Kopf ist leicht nach rechts gedreht, so dass sie seitlich an dem Betrachter vorbeiblickt. Das lockige Haar umrahmt ihren Kopf bis fast zu den Schultern, einige Haarsträhnen liegen auf der rechten Schulter. Ein Lächeln ist angedeutet, die Augenpartie wird durch die gut geformten Augenbrauen betont. Die Dargestellte trägt ein weißes Kleid, ein weißes Brusttuch, das durch eine Brosche zusammengehalten wird. Zudem trägt sie ein dunkles Schultertuch mit Spitzenrand, das vorne zusammengeknotet ist.
Dorothea Schlözer wurde durch den pädagogischen Ehrgeiz ihres Vaters August Ludwig Schlözer (1735-1809, ab 1804 von Schlözer), Göttinger Professor für Geschichte, früh gefördert. So sprach sie u.a. mit 16 Jahren bereits zehn Sprachen. Da ihr Vater bei der Universität Göttingen erwirkt hatte, dass sie an Vorlesungen teilnehmen durfte, konnte sie Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften studieren. Zur damaligen Zeit war das etwas völlig Neuartiges. Erst ab 1908 war ein reguläres Studium für Frauen möglich.
Wie schon als junges Mädchen, begleitete Dorothea Schlözer den Vater nach ihrer Promotion auf seinen Reisen. In Lübeck lernte sie ihren Ehemann Mattheus Rodde (1754-1825) kennen. Er war ein vermögender Kaufmann, der 1806 fünfter Bürgermeister von Lübeck wurde. Neben dem Familienleben verfolgte Dorothea Schlözer weiterhin ihre wissenschaftlichen Interessen. Sie gründete einen in Lübeck bald angesehenen Salon und unterhielt engen Kontakt zu verschiedenen Gelehrten. Anfang des 19. Jahrhunderts kam ihr Ehemann, und damit auch Dorothea Schlözer, in finanzielle Schwierigkeiten und sie zogen nach Göttingen. Dorothea Schlözer verlor durch Krankheit zwei ihrer Kinder, weshalb sie 1825 auf ärztlichen Rat mit ihrem verbliebenen Kind nach Marseille reiste. Während der Rückreise verstarb Dorothea Schlözer an Erschöpfung am 12. Juli in Avignon.
Von Dorothea Schlözer sind mehrere Briefe erhalten. Im Gedankenspiel an einen zukünftigen Ehemann schrieb sie selbstbewusst und zugleich klar die Grenzen sehend: „Wieviel Kaufmanns Weiber giebt es denn, die so ein halb Dutzend Sprachen verstehen; und müsste mein – wills Gott! – Künftiger denn nicht ein Flegel sein, wenn er mir nicht eine Köchin bezahlte, weil ich ihm einen Buchhalter ersparte? Freilich wählen können wir Mädchen nicht …“ (1785, Brief an Luise Michaelis)
Seit Dorothea Schlözer diese Zeilen geschrieben hat, hat sich einiges geändert. Nach ihr sind inzwischen unterschiedliche Gedenk- und Erinnerungsformen benannt: die Dorothea Schlözer-Medaille (1958) und das Dorothea Schlözer Programm (2009) der Georg-August-Universität, die Gedenktafel Lange-Geismar-Straße 49 (1976, Deutscher Akademikerinnenbund), den Dorothea Schlözer-Bogen in Göttingen (2002 beschlossen von der Stadt Göttingen) und den frauenOrt Niedersachsen „Auf Spuren Dorothea Schlözers in Göttingen“ (2011 Einweihung durch den Landesfrauenrat Niedersachsen e. V.).
Aus Anlass des Internationalen Frauentages am 8.3., der sich zum 110. Mal jährt, sollte hier an diese besondere Göttingerin erinnert werden.