Gespannt sitze ich vor einem ansehnlichen Stapel von Paketen an meinem dafür eingerichteten Arbeitsplatz im Städtischen Museum: hier schlummern zahlreiche in Dosen verpackte Negativrollen. Es wirkt wie ein Werk in Fotografien, das der Göttinger Fotojournalist Fritz Paul (1919-1998) in knapp drei Jahrzehnten vollbracht hat. Während ich mich Schritt für Schritt durch die vorsortierten und eingetüteten Negativdosen arbeite, ist sowohl die Historikerin als auch die Archäologin in mir voller Spannung und Vorfreude – es ist ein kleiner Schatz aus knapp drei Jahrzehnten, den 1950er bis 1980er Jahren, der nun langsam zutage kommt.
Da es tausende Negative sind, entscheide ich mich in einem ersten Schritt für eine Prioritätenliste, um eine erste Auswahl in die Digitalisierung zu geben, doch fällt mir die Entscheidung alles andere als leicht: Reittourniere, Göttinger Bauten, Theater, Veranstaltungen und Ereignisse verschiedenster Art, Persönlichkeiten, bis hin zur finnischen Schönheitskönigen. Blättert man sich durch die grob betitelten Negativlisten, offenbart sich ein äußerst facettenreiches und spannendes Bild, sowohl von der Stadt Göttingen und ihrem Umland als auch ihren Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wissenschaft sowie zahlreichen Eindrücken aus dem Göttinger Alltagsleben.
Die Fotos von Fritz Paul spiegeln nicht nur wichtige Entwicklungsjahre der Universitätsstadt in den Nachkriegsjahren wieder, sondern eine ebenso facettenreiche Auswahl verschiedenster Themen und Ereignisse, die Fritz Paul in seiner jahrzehntelangen Arbeit als freier Fotojournalist, der auch für das Göttinger Tageblatt tätig war, bewegten. Im Privaten hatten es ihm besonders Pferde, Reitturniere, aber auch Autos angetan. Je weiter ich vordringe, desto mehr wird Fritz Pauls Leidenschaft für die Fotografie und seinen Beruf sichtbar. An manchen Tagen müssen es sogar mehrere Anlässe an verschiedenen Orten gewesen sein, zwischen denen er sich hin und her bewegte.
Als Historikerin ist es für mich sehr bereichernd und spannend, diese Fotos inhaltlich erschließen zu dürfen und ich bin gespannt, welche zeithistorischen Schätze sich vor meinen Augen noch offenbaren werden. Meine Aufgabe wird es sein, sie zeitlich in den historischen Kontext einzuordnen, herauszufinden, welche Persönlichkeiten, welche Anlässe und Ereignisse von Fritz Paul dokumentiert wurden – Eine bereichernde Herausforderung, die viel Recherche, Sorgfalt und Umsicht bedarf.