Feb 11, 2021

Doppeltes Wintervergnügen

In unserer grafischen Sammlung befinden sich vielseitige Veduten vom Alten Rathaus und dem Göttinger Markt, darunter zwei Kupferstiche mit winterlichem Motiv aus dem 18. Jahrhundert.

Prospect des grossen Marckts samt Rathauß zu Göttingen

In unserer grafischen Sammlung befinden sich vielseitige Veduten vom Alten Rathaus und dem Göttinger Markt, darunter zwei Kupferstiche mit winterlichem Motiv aus dem 18. Jahrhundert. Sie ähneln sich in ihrer Darstellung, jedoch ist nur eines davon koloriert.

Die winterliche figürliche Staffage des farbigen Blattes weist ein kräftiges, zeitgenössisches Kolorit auf. Für die Herrenröcke, Damenumhänge und Kleider wurde dominierend ein sattes Rot verwendet.

Die Bekleidung wie Umhang und Haube oder Gehrock und Dreispitz entspricht ebenfalls der zeitgenössischen Damen- und Herrenmode. Die Gebäude und Häuser sind architektonisch detailliert dargestellt. Mit farblichen Nuancen und dem Spiel von Licht und Schatten wird Plastizität erzeugt. Eine räumliche Tiefenwirkung wird durch die Verwendung der Fluchtpunktperspektive erstellt. Die Personen sind mit unterschiedlichen Tätigkeiten beschäftigt. Einige befinden sich auf der Rathaustreppe, andere stehen in einem Gespräch auf dem Marktplatz oder transportieren mit Hilfe eines Pferdes Waren. Wieder andere nutzen eine Kutsche oder einen Pferdeschlitten als Transportmittel. Dass dies mitunter auch zu gefährlichen Situationen führen kann, zeigt die kleine Szene unten rechts, in der es beinahe zu einem Zusammenstoß kommt.

 Prospect des Großen Markts.

In dem unkolorierten Blatt wird der Blick des Betrachters etwas mehr „herangezoomt“, vom Rathausturm ist nur das untere Drittel zu erkennen. Die figürliche Staffage wird ebenfalls in zeitgenössischer Kleidung gezeigt. Das Wintergeschehen ist noch dynamischer dargestellt. Neun Pferdeschlitten befinden sich um den Brunnen herum, dazwischen und daneben befinden sich Einzelpersonen oder Gruppen. Vor dem Brunnen ist ein umgekippter Schlitten mit sich aufbäumenden Pferd zu sehen. Der Schlittenführer versucht, das Pferd mit Zügeln zum Stillstand zu bringen. Von rechts und links eilen ihm Personen zur Hilfe.

 

Unterschiedlich ist bei den Blättern die Darstellung des Brunnens. Während das kolorierte Blatt den Brunnen mit einem überdachten Schutz zeigt, ist auf dem unkolorierten Blatt der Brunnen in Betrieb.

           

Beide Blätter sind sog. Guckkastenblätter mit einer mehrsprachigen Bildunterschrift. Im 18. Jahrhundert kam es, bedingt durch die Aufklärung, zu einem erhöhten Bildungs, Bild- und Informationsbedürfnis. Die Guckkastenblätter waren ein erstes Massenmedium, um u.a. Stadtansichten zu verbreiten.

Über Simone Hübner

Simone Hübner ist Kuratorin im Städtischen Museum Göttingen.