Mai 13, 2022

Detektivarbeit im Museum

Ein Bericht aus der Sicht der Praktikantin Xingyan Zhu

Zwar hängt meine „Detektivarbeit“ im Museum nicht vom kriminalistischen Spürsinn wie bei Sherlock Holmes ab, aber es handelt sich dabei viel um Identifikation: Identifikation der Portraitierten, der Zeichner, der Kupferstecher, der Verleger/Drucker usw.

Als Beispiel stelle ich die Arbeitsschritte bei der Erfassung eines Schattenrisses, der Fr. Prof. Spangenberg zeigt, vor. Im Internet kann man unter „Fr. Prof. Spangenberg“ fast keine nützlichen Informationen finden. Erst nach einigen Recherchen habe ich Fr. Prof. Spangenberg mit Dorothea Charlotte Elisabeth Wehrs, die im Jahr 1781 den Göttinger Professor Georg August Spangenberg heiratete, verbunden. Diese Erfahrung lässt mich das theoretische Wissen über Normdaten, das ich in der Vorlesung des Instituts Digital Humanities der Universität gelernt habe, auf eine praktische Weise wiederholen: Jede Entität soll durch einen Normsatz eindeutig beschrieben werden, und zwar so, dass Verwechslungen ausgeschlossen sind. Hier verweisen Fr. Prof. Spangenberg und Dorothea Charlotte Elisabeth Wehrs auf dieselbe Person.

links: Schattenriss von Fr. Prof. Spangenberg / rechts: Normdaten von Wehrs Bildbeschreibung: Fr. Prof. Spangenberg heißt in der Gemeinsamen Normdatei (GND) Dorothea Charlotte Elisabeth Wehrs.

Nachdem die portraitierte Person festgestellt wurde, soll man ggf. die Unterschriften vom Zeichner und Kupferstecher erkennen. Hier besteht das Problem, dass manche Künstler nur den Nachnamen und den ersten Buchstaben des Vornamens hinterlassen haben. Sind viele Gleichnamigen vorhanden, kann man in diesem Fall diesen Namen plus „Maler“ oder „Kupferstecher“ in die Suchmaschine eingeben. Danach kann man noch mithilfe der Lebensdaten und dem Wirkungsort der Portraitierten die wenig infrage kommenden Künstler ausschließen. Nicht zuletzt ist es bei der Identifikation der Künstler manchmal schwer, den Namen wörtlich zu erkennen. Die winzigen Buchstaben auf dem Bild in einer jetzt nicht mehr verwendeten Schriftart sind besonders schwierig für mich.

oben: „FTIJ“; unten: ein Musterbeispiel von einem Porträt, dessen Kupferstecher nicht leicht erkennbar ist. Bildbeschreibung: „F“, „T“, „I“, „J“ in einer künstlerischen Schriftart und eine Frage in der Pragmatik: wie heißt der Kupferstecher dieses Porträts? Antwort: J. E. Haid (Johann Elias Haid).

 

Als nächsten Schritt verlinkt man alle festgelegten Namen mit ihrer GND-Seite. Dann soll das Bildmaß, Plattenmaß und Blattmaß dokumentiert werden. Mit Hilfe der Inventarnummer, die auf der Rückseite des Bildes notiert ist, schaue ich in den Eingangsbüchern nach, ob durch die Nummer das Porträt wieder auffindbar ist. Manche Grafiken, die jetzt noch über keine Inventarnummer verfügen, fügt man später mit einer neuen Nummer in die Bücher ein.

 

Als nächstes schlage ich in der Deutscher Biografie nach, ob in diesem Internet-Portal schon einen Lexikonartikel über die portraitierte Person vorhanden ist. Falls nicht, dann suche ich über andere Kanäle, ob man Informationen z.B. in einem eingescannten Lexikon finden kann, und ich verschriftliche den Text. Hier liegt das Problem darin, dass mancher alter Text in Frakturschrift und mit veralteter, in der heutigen Orthografie nicht mehr richtigen Schreibweise geschrieben wird. Das Problem der veralteten Rechtschreibung ist für mich noch lösbar. Denn ich habe mir in meinem Germanistikstudium das Grundwissen angeeignet, dass früher bspw. „sein“ als „seyn“ geschrieben wurde und „Teil“ als „Theil“. Im Vergleich dazu hat die Frakturschrift viel von mir gefordert: Als Nichtmuttersprachlerin habe ich mir das gedruckte Deutsch (meistens in Times New Roman oder Arial) angewöhnt.

eine kurze eingescannte Biografie von Fr. Prof. Spangenberg in Fraktur. Herausforderung für eine Deutschlehrerin

Nachdem alle obig erwähnten Schritte erledigt wurden, kann man endlich sagen, dass man diesen Portraitierten „erwischt“ hat. Gotcha! Aber man darf nicht vergessen, dass man noch ein Inventarisierungsfoto für dieses Porträt machen soll, wofür ich in der künftigen Praktikumswoche zuständig sein werde.

 

Die Inventarisierungsarbeit im Städtischen Museum ist gar nicht langweilig. Jeden Nachmittag nach der Arbeit verspüre ich ein Errungenschaftsgefühl. Das Arbeitsklima hier ist äußerst freundlich. Meine Praktikumsbetreuerin Frau Hübner und alle anderen Kolleg*innen sind sehr nett und hilfsbereit. Obwohl ich noch über die Hälfte des Praktikums vor mir habe, würde ich schon sagen, dass ich die Zeit beim Museum in Zukunft vermissen werde.

Schokoladenosterhase auf der Tastatur Bildbeschreibung: Den Osterhasen habe ich am Gründonnerstag geschenkt bekommen

Xingyan Zhu ist vom 11.04 bis zum 20.05 Praktikantin am Städtischen Museum Göttingen. Sie ist im vierten Fachsemester des Doppelmasterprogramms „Interkulturelle Germanistik Deutschland-China“ der Nanjing Universität und Universität Göttingen eingeschrieben, in dessen Rahmen jeder Studierende ein Praktikum von 120 Stunden absolvieren muss. Während ihres Bachelorstudiums an der Nanjing Universität war sie zwischen September 2018 und August 2019 in Göttingen als Austauschstudentin.

Über Xingyan Zhu

Xingyan Zhu ist Praktikantin am Städtischen Museum Göttingen