„Schrittschuh“ war im 18. und frühen 19. Jahrhundert ein geläufiger Begriff für Schlittschuh. Er leitet sich ab von der isländischen Bezeichnung „skrida a isleggjum“ und bedeutet „schreiten auf dem Eis“. Im 18. Jahrhundert diente Eislaufen in den Niederlanden und in Skandinavien zunächst der Fortbewegung und Nachrichtenüberbringung. Im Laufe der Zeit wurde es zunehmend eine beliebte Freizeitbeschäftigung für alle Schichten, auch in Deutschland.
Dass sich daraus ein regelrechter Trend entwickelte, ist dem Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1802) zu verdanken. Er verfasste fünf Schlittschuh-Oden und drückte damit seine Begeisterung für den Eislauf nachhaltig aus. Zudem gelang es ihm, bei Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) ebenfalls die Leidenschaft zum Schlittschuhlaufen zu wecken, so dass auch seine Werke sich mit dem Thema eingehend befassten.
Der Nürnberger Verleger Friedrich Campe (1777-1846) widmete 1825 dem winterlichen Freizeitvergnügen ein 180seitiges Buch: „Der Eislauf oder das Schrittschuhfahren. Ein Taschenbuch für Jung und Alt. Mit Gedichten von Klopstock, Göthe, Herder, Cramer, Krummacher etc. und Kupfern von J. A. Klein. herausgegeben von Christ. Siegm. Zindel.“
Auch in unserem Grafikmagazin befindet sich ein Werk von Johann Adam Klein (1792-1875). Es zeigt verschiedene Ansichten von Schlittschuhen, die mit Lederriemen unter einem Schuh befestigt wurden. Die Lederriemen und Kufe mit dem gebogenen Schnabel sind detailreich zu erkennen.
Das Motiv entspricht einer der in dem o. g. Buch abgebildeten Illustrationen. Bei unserem Blatt fehlen jedoch der Titel „Die Schrittschuhe“ und die Seitenzahl, die auf der Buchillustration angegeben sind.
Stattdessen findet sich auf dem Blatt in unserer Sammlung die handschriftliche Angabe„J.265 I“. Wir haben uns gefragt, was es damit auf sich hat.
Durch einiges Nachforschen ließ sich diese Angabe in Kombination mit dem Namen des Künstlers letztlich entschlüsseln. Sie bezieht sich auf eine Werkübersicht von Johann Adam Klein, die dessen Freund Carl Jahn im Jahr 1863 verfasst hat.
Dort sind unter der Nr. 265 drei Versionen des Blattes „Die Schrittschuhe“ vermerkt. Daraus geht hervor, dass unser Blatt den ersten, selten erhaltenen Zustand zeigt. Dieser erste Druck wurde erstellt, um die Qualität des Kupferstichs zu überprüfen. Dass es sich um einen frühe Version handelt, ist an zwei Fehlstellen in der Darstellung zu erkennen. Ebenso fehlen bei diesem ersten Zustand die Bildunterschrift und die Seitenzahlangabe.
Abbildung: Fehlstellen, die auf den ersten Zustand verweisen
In den zwei weiteren Drucken wurde die Darstellung nach und nach vervollständigt. Bei dem zweiten Blatt sind die Fehlstellen behoben. Der Dritte beinhaltet die Ergänzung mit Titel und der Seitenzahl 34. Diese Version ist in der Veröffentlichung von 1825 abgebildet.
Johann Adam Klein war ein Maler und Kupferstecher, der in Nürnberg wirkte. Oftmals fertigte er Blätter wie Naturstudien und Architekturdarstellungen für Nürnberger Verleger an. Derzeit ist nicht bekannt, wie das Blatt in unsere Sammlung kam und ob es einen Bezug zu Göttingen gibt.
Auch wenn in diesem Winter die Energiesituation das eine oder andere winterliche Vergnügen wie künstliche Eisbahnen nicht zulässt, ist vielleicht das Schlittschuhlaufen auf einer natürlichen Eisfläche möglich. Und dann könnten wir Goethes Worte aus seinem Gedicht „Die Eisbahn“ (1820) beherzigen: „Fällt auf dem Eis der rüstigste Läufer, so lacht man am [Ufer …] Gleite fröhlich dahin, gib Rath dem werdenden Schüler, Freue des Meisters dich und so genieße des Tags.“