Jan 14, 2021

Das Museum macht mit – Corona Hilfsprogramm für freie Restauratoren

Von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind auch die meist freiberuflich arbeitenden Restaurator*innen in besonderem Maße betroffen. Um diese Berufsgruppen in eventuellen Notlagen zu unterstützen, hat die Ernst von Siemens Kunststiftung 2020 eine neue Förderlinie aufgelegt.

Auch das Städtische Museum ist Teil dieser Corana-Förderlinie zur Unterstützung freier Restaurator*innen. Die Berufseinsteigerin Chilia Rachel Busse, die im Herbst ihre Ausbildung als Restauratorin an der HAWK Hildesheim/ Holzminden/ Göttingen mit einem Magister abgeschlossen hat, bearbeitet ein großformatiges Gemälde aus unserem Bestand.

Das in Öl auf Leinwand gefertigte Gemälde kam 1923 unter dem Titel „Sterbender Tancred“ aus dem Nachlass von Professor Wilhelm Meyer aus Speyer in das Städtische Museum in Göttingen und wurde kurz darauf als Dauerleihgabe an die Kunstsammlung der Universität Göttingen abgegeben.

Es zeigt mit dem sterbenden Jüngling links im Vordergrund, dem von rechts herannahenden Krieger und einer weiteren, durch die starke Verdunkelung nur zu erahnenden weibliche Figur im Hintergrund eine literarische Szene, die bisher in dem italienischen Epos Gerusalemme Liberata von Torquato Tasso aus dem 16. Jahrhundert verortet wurde. Durch ein Vergleichswerk im Palazzo Pitti in Florenz von der Hand des florentinischen Malers Jacopo Vignali konnte die Darstellung jedoch als Szene aus Ariosts Orlando Furioso identifiziert werden. Dargestellt ist demnach der geschwächte Ruggiero, dem die Zauberin Melissa und der Krieger Leone zu Hilfe eilen. Zugleich deutet die augenscheinliche Verwandtschaft des Göttinger Gemäldes mit dem Werk im Palazzo Pitti auf eine mögliche Entstehung im Florenz des 17. Jahrhunderts hin. Für die weitere Erforschung des Gemäldes ist die von der Ernst von Siemens Kunststiftung geförderte restauratorische Maßnahme von unschätzbarem Wert, da sie im wahrsten Sinne des Wortes „mehr Licht ins Dunkel“ bringen wird!

Nach der Bearbeitung des Sterbenden Kriegers im Rahmen einer Masterarbeit lagert das Gemälde momentan in dem Werkstatt-Depot der HAWK Hildesheim/ Holzminden/ Göttingen. Durch die gelockerten Verbindungen am Zierrahmen weist der Sterbende Krieger für einen Rücktransport nach Göttingen einen gefährdeten, konservatorisch stark bedenklichen Zustand auf. Zudem befinden sich mehrere, ungesicherte Fehlstellen an dem Gemälde und an der Fassung des Zierrahmens. Das Objekt ist somit zu fragil für einen Transport. Der Fokus der vorzunehmenden Maßnahmen liegt demnach insbesondere auf der Stabilisierung des Zierrahmens sowie dem Erstellen einer polsternden Zwischenlage zur Sicherung des Gemäldes in dem deutlich größeren Zierrahmenfalz. Zusätzlich sollen Sicherungs- und Reinigungsmaßnahmen an den stark verschmutzten Objekten (Gemälde und Zierrahmen) umgesetzt werden.

 

 

Chilia Rachel Busse Restauratorin (M.A.) für gefasste Holzobjekte und Gemälde                                                                                                                                                                         „Neben der eigentlichen restauratorischen Aufgabe, ist es die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei diesem Projekt mit HAWK Hildesheim/ Holminden/Göttingen (Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst), der Kunstsammlung der Georg-August-Universität Göttingen und dem Städtischen Museum Göttingen, was dieses Projekt für mich als Berufseinsteigerin so besonders interessant macht.“

 

 

Über Andrea Rechenberg

Andrea Rechenberg ist Leiterin des Städtischen Museums Göttingen.