Sep 9, 2022

Birkenrinde und Bienenwachs

Praktikumsbericht aus der Siegelsammlung, Teil II.

Zeitgenössische Siegelstempel werden heute mit Stempelfarbe auf Papier aufgedrückt, in den Jahrhunderten vorher kamen als Siegelstoff jedoch verschiedenste Materialien zum Einsatz: Lange Zeit vorherrschend waren Siegel aus Bienenwachs und Metall. Metallsiegel aus Gold, Silber oder Blei wurden, abgeleitet vom lateinischen Wort bulla, Bulle genannt. Der Papst verwendet bis heute Bleibullen, der Ausdruck „Bulle“ wird hier auch synonym für die Urkunden an sich gebraucht.

Papstsiegel von Clemens VI. (1290-1352), Blei. Auf der Vorderseite steht CLEMENS VI., auf der Rückseite sind die Köpfe der Apostel Petrus und Paulus abgebildet.

Am häufigsten waren Siegel aus Bienenwachs, das entweder ungefärbt verwendet oder schwarz, rot oder grün gefärbt wurde. Rot wurde im Spätmittelalter hauptsächlich von Herrschern, Städten und Kardinälen benutzt, entwickelte sich aber später zur Modefarbe. Die Siegelabdrücke wurden meistens an die Urkunden angehängt, in dem ein Teil umgefalten wurde (Plica) und daran mit Faden oder Pergamentstreifen das Siegel befestigt. Das Andrücken einer zweiten Wachsplatte auf der Rückseite zur Befestigung des Fadens oder Pergamentstreifens ist häufig noch anhand von Eindrücken sichtbar. Weil Wachssiegel sehr zerbrechlich sind, wurden diese oft mit Hüllen geschützt oder in Holz- oder Metallkapseln gelegt.

Siegel eines Kaufmanns, Wachs in Holzkapsel. Die Umschrift lautet: „DVT IS DIS KOPMANS SEGEL“.

Im 15./16. Jahrhundert wurden weitere Siegelstoffe eingeführt: die Siegeloblate und der Siegellack. Siegellack war härter und in der Handhabung einfacher als Wachs. Der Lack wurde auf dem Papier verteilt und der Siegelstempel hineingedrückt. Ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert verdrängte der Siegellack das Siegelwachs. Auch hier war rot die beliebteste Farbe. Die Siegeloblate, aus ungesäuertem Weizenmehl hergestellt und mit einem Papier bedeckt, war ebenfalls im 18. und 19. Jahrhundert weit verbreitet. Der Siegelabdruck konnte, ähnlich wie bei reinen Papiersiegeln, mit Klebstoff auf dem Dokument befestigt werden.

Siegel von Maximilian II. (1527-1576), Siegellack

Siegel der Schleswigschen Eisenbahn – Bahn-Inspection, Papier

Als eine Besonderheit können Siegel aus Birkenrinde gelten. Siegel aus Birkenrinde gab es vor allem vor der Verwendung von Siegellack, waren jedoch nicht lange üblich und kamen später nur noch vereinzelt vor. Ähnlich wie bei der Verwendung als Schreibmaterial diente Birkenrinde auch bei Siegelabdrücken als Papierersatz, war jedoch haltbarer und biegsamer.

Siegel von Alois Friedrich Brühl (1739-1793), Birkenrinde

Über Amélie Rosenberger

Amélie Rosenberger war vom 25. 07. - 19. 08. 2022 Praktikantin am Städtischen Museum Göttingen.