Im Zuge der anhaltenden Digitalisierung des Bestandes (siehe frühere Beiträge) absolviere ich gerade ein Praktikum im Städtischen Museum. So bietet sich mir die Gelegenheit, die vielfältige Arbeit „hinter den Kulissen“ kennenzulernen, die ein Museumsbestand erfordert – und einen breitgefächerten Einblick in die Bestände selbst zu erhalten. Zusätzlich stelle ich wieder einmal fest, wie spannend Geschichte ist. Obwohl ich während meines Studiums an dem einen oder anderen Seminar zur Stadtgeschichte teilgenommen habe, stellen sich hier für mich ganz unbekannte Facetten dieser Stadt dar.
Ich begann mit der Erfassung von Porzellanobjekten, hauptsächlich aus dem studentischen/universitären Bereich. Das bedeutet vor allem Pfeifenköpfe und Deckeleinsätze für Bierkrüge mit den Wappen und Wahlsprüchen der verschiedensten Verbindungen. Die persönlichen Widmungen und Datierungen auf der Rückseite geben einen Überblick über die Zeitspanne, in der diese Form des Andenkentausches aus lokaler Produktion verbreitet war.
Deckel eines Bierkruges, Corps Hannovera Pfeifenkopf, „Frisia sei’s Panier!“
Vor allem aber bot sich mir ein unerwarteter Einblick in die städtische Geschichte – mir war nicht bewusst, dass es eine Verbindung von Porzellan und Göttingen gab. So war es hier denn auch nicht die eigentliche Fertigung in einer Manufaktur, sondern die Weiterbearbeitung von Rohlingen – in großer Zahl von unterschiedlichsten Herstellern erstanden – die mehreren Göttinger Familien über ein Jahrhundert hinweg ein Auskommen ermöglichte. Mit welcher teils hohen künstlerischen Qualität dies geschah, sieht man sehr gut in dem Beitrag von Frau Freund. Für mich interessant war daran aber auch die Bedeutung der Universität und des studentischen Lebens, der Verbindungen, für die Stadt in dieser Zeit. Ihre Nachfrage ermöglichte es Porzellanmalern, die allein mit schönen Dekorationsstücken für bürgerliche Haushalte ihren Unterhalt vielleicht nicht hätten bestreiten können, eine Werkstatt mit mehreren Personen über lange Zeit aufrecht zu erhalten. Sehr deutlich wird die Wichtigkeit dieser Zielgruppe 1935: Als die Verbindungen zwangsweise in der „NS-Studentenschaft“ aufgehen oder sich auflösen, stirbt dieser Markt, Maler und Firmen müssen sich umorientieren.[1]
Weiter ging meine Reise durch die musealen Bestände mit der Silberkartei. Schon in der Bearbeitung der ersten Stücke erfuhr ich, dass die für mich anfangs unverständliche Platzierung eines Monogramms auf der Rückseite von Gabel- oder Löffelstielen mit einer Wandlung der Tischsitten in Zusammenhang steht. Erst im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts wurde es üblich, Besteck mit dem Rücken nach unten zu legen, so wie wir es heute kennen.[2] Ab diesem Zeitpunkt wurden dann auch Verzierungen oben und die Stempel des Schmiedes und des Silbergehaltes unten aufgebracht.
Kleiner silberner Teelöffel, um 1760/70. Die sichtbaren Initialen AG sind die des Goldschmiedes Abraham Gandil. Das Besitzermonogramm ist auf der Rückseite.
Ein Monogramm auf der Rückseite ist also ein deutlicher Anhaltspunkt für eine erste Datierung. Weitere Arten, den Herstellungszeitraum eines Silberobjektes einzugrenzen, erschlossen sich mir: Die zeitlich begrenzte Verwendung verschiedener Stempel für den Silbergehalt (12-Lot Stempel, 800er Silber, heute 925er), sowie die Einordnung der Initialen der verschiedenen Meisterstempel in die Biographien lokaler Goldschmiedefamilien. Auch dies ist nicht immer ganz leicht – wenn ein Stempel zum Beispiel generationsübergreifend weiterverwendet wird, können stilkritische Zuweisungen manchmal weiterhelfen.
Eine weitere für mich überraschende Erkenntnis war die Tatsache, dass Aluminium für kurze Zeit, in den Jahren 1855-1859, sehr teuer war und von Goldschmieden zu Schmuckstücken verarbeitet wurde. Nach der Verbesserung des Verfahrens zur Gewinnung 1859 stürzte der Preis, und es nahm den industriellen Charakter an, der uns heute vertraut ist.[3]
Zuletzt hier noch ein Bild einer Abendmahlskanne, hergestellt von dem Göttinger Goldschmied Carl Friedrich Peter Knauer (1786-1853), deren Form mich beeindruckt hat.
Verena Schmidt
[1] Vgl. Brinkmann, Jens-Uwe, Porzellanmalerei in Göttingen. … in jeder Hinsicht vollkommen so schön als dergleichen Arbeiten irgendwo gemacht werden, Göttingen 2000, S. 49/50.
[2] Appel, Thomas, Göttinger Goldschmiede 1600-1900. Neue Objekte – Marken – Forschungsergebnisse, in: Göttinger Jahrbuch 27 (2009), S. 92.
[3] Ebenda, S. 106/107.