Jun 2, 2016

2. Juni 2016

Glasperlen und Gemetzel – Eine Sablémappe aus dem Nachlass der Emettula de Froment Teil 1 Sie ist mir schon vor längerer Zeit aufgefallen, gleich zu Beginn meiner regelmäßigen Tätigkeit im Museum: eine kleine Mappe in Form eines Miniatur-Bucheinbandes, ganzflächig mit winzig kleinen Glasperlen versehen. Etwas Ähnliches hatte ich schon einmal gesehen: und zwar in einem […]

Glasperlen und Gemetzel – Eine Sablémappe aus dem Nachlass der Emettula de Froment Teil 1

Sie ist mir schon vor längerer Zeit aufgefallen, gleich zu Beginn meiner regelmäßigen Tätigkeit im Museum: eine kleine Mappe in Form eines Miniatur-Bucheinbandes, ganzflächig mit winzig kleinen Glasperlen versehen. Etwas Ähnliches hatte ich schon einmal gesehen: und zwar in einem amerikanischen Sammlerkatalog über Taschen: dort als selten aufgeführt und in der Qualität als Museumsobjekt bezeichnet.

Ich konnte daher die Verarbeitung und Gestaltung des Glasperlenobjektes einordnen und wusste, dass Objekte dieser Art professionell in den Ateliers und Werkstätten um 1780 in Paris unter Führung von Charles Germain de Saint Aubin, dem bekannten Stickereimeister am Hofe Ludwig XV. (1710-1774) gefertigt wurden.

Die kleine hochrechteckige Mappe (7,8 cm x 10,1 cm) besteht aus Seidentaft und ist im Innern mit Pappe verstärkt, in Buchform, mit ausgeprägtem Buchrücken; Abb. 1sie erweist sich eher als Buchhülle, da keine Blätter im Innern vorhanden sind, sondern nur ein Seidenband zur Schleife gebunden ist. Auf der gesamten Außenfläche sind sandkornkleine Glasperlen zu einem Muster angeordnet, das einen Zweig stilisierter Knospen, Blüten und Blätter mehrfarbig auf weißem Grund darstellt. Umrahmt wird das Hauptmotiv – auf Vorder- und Rückseite gleich – von einer schmalen in Blatt und Blüte alternierenden Borte. Der „Buchrücken“ ähnelt einem Einband aus geprägtem Leder, hier in strengen Linien aus gelben Glasperlen. Fast plastisch erscheinen die Blüten und Blätter durch eine unterschiedliche Anordnung von transparenten und opaken farbigen Perlen.

In der Ausführung werden die Perlen mustergetreu nach Vorlage auf einzelne Seidenfäden aufgezogen und so horizontal angeordnet, dass sie durch Verschlingung mit einem vertikal verlaufenden Faden miteinander verbunden werden. Abb. 2Dabei erscheinen die Perlen der nächsten Reihe auf Lücke, somit versetzt in einem festen textilen Verbund, in dem jede Glasperle in einem eigenen Fadensegment untergebracht ist. Nur in Wachs getauchte Fäden ließen sich durch die winzig kleinen Löcher führen, auch am Faden befestigte Haare waren dazu geeignet, was mit Nadeln unmöglich war!

Es entstehen auf diese Weise Muster mit Einzelelementen, die eine gewisse Eckigkeit aufweisen; dies und ihre Umrandung mit stark akzentuierenden Konturen durch dunklere Glasperlen sind Wiedererkennungsmerkmale.

Die beschriebene Vorgehensweise wird in der angelsächsischen Literatur als Sablétechnik bezeichnet. Im deutschen Sprachraum spricht man von „Baderleins geschnür und geschling“ Während man sich im ersten auf das Material – die Perle – bezieht, berücksichtigt letztere beides: die althergebrachte Benennung von „Baderlein“…“abgeleitet von Pat(t)erle = Perle“ nimmt die Verbindung von Material im Zusammenspiel mit dem Vorgang des Auffädelns und Verschnürens auf.

Kunstvolle Perlenarbeiten dieser Art waren über Musterbücher schon im 17. Jahrhundert bekannt, gelangten jedoch erst zu richtiger Blüte unter anderem durch die Fertigung in den Werkstätten der französischen Kunsthandwerker. Diese Technik wurde im Biedermeier schon nicht mehr angewendet und ging damit verloren.

Die äußerst zeitaufwendigen, mit sehr teuren Glasperlen aus Venedig und Böhmen gearbeiteten Objekte wie Börsen, Futterale, Brieftaschen, Portefeuille und vieles mehr galten als kostbare Luxusartikel aus dem Bereich der Galanteriewaren. Weltweit existieren wohl noch ca. 400 Sabléobjekte. Den größten Teil davon beherbergt das Bostoner Museum of Fine Arts. Das Städtische Museum Göttingen besitzt auch eins dieser seltenen Stücke und dazu mit welchem Inhalt!

Teil 2 folgt nächste Woche.

Verwendete Literatur:

  1. Purse Masterpieces Identification & Value Guide Lynell Schwartz 2004, S. 39.
  2. Taschen. Eine Europäische Kulturgeschichte 1500-1930, Ausstellungskatalog des Bayrischen Nationalmuseums, 2013, S. 162 u. 163.
  3. Ulzen, Evelyn: Glasperlen Herstellung und textiler Verbund, Berlin 1992, S. 123.
  4. Claire Wilcox: “Bags” Victoria and Albert Museum Fashion Accessories, S.41

(Ulla Kayser, ehrenamtliche Mitarbeiterin)

 

Über Ulla Kayser

Ulla Kayser ist ehrenamtliche Mitarbeiterin im Städtischen Museum Göttingen.