Nov 17, 2017

Nomen est omen

Viele Dinge, die wir täglich nutzen, haben Bezeichnungen, die aus deren heutigem Gebrauch nicht oder nur schwerlich abgeleitet werden können. Ihre Namen scheinen zwar auf einen Zweck zu verweisen, aber auf den falschen: Wieso nennen wir die Geldbörse auch „Brieftasche“, das kleine Tellerchen, auf das wir die Teetasse stellen, „Untertasse“ oder das feine Besteck für die Zuckerwürfel „Zuckerzange“?

Waren die Erfinder dieser Bezeichnungen alle Scherzkekese? – Nein, denn all diese Dinge hatten tatsächlich einmal genau den Zweck, den ihre Namen offenbaren!

Wo die Bezeichnung „Brieftasche“ herkommt ist, ist vielleicht manchen noch bekannt. Auch heute noch ist die Brieftasche nicht unbedingt mit einer Geldbörse gleichzusetzen. Die Bezeichnung ist mancherorts den etwas größeren Portemonnaie-ähnlichen Behältern für Ausweise und Dokumente vorbehalten. Aber für Briefe sind auch diese längst zu klein. Im 19. Jahrhundert war das noch ganz anders. In den damals noch viel größeren Brieftaschen konnten Briefe aufbewahrt und mitgeführt werden. Um die persönlichen Nachrichten vor fremden Blicken zu schützen, sind diese Brieftaschen oft mit Schlössern versehen. Die hier abgebildete Lederbrieftasche aus der Zeit um 1900 kann beispielsweise nur geöffnet werden, wenn man weiß, wie der Knopf neben dem Schloss nach dem Aufschließen zu kippen ist. Welche Geheimnisse wohl einmal in diesem Täschen verwahrt wurden?

Auch die Trinkgewohnheiten der vornehmen Damen und Herren waren früher anders als heute. Im 18. Jahrhundert wurde ein Heißgetränk in der Tasse serviert, um anschließend zum Abkühlen in die Untertasse gegossen und aus dieser getrunken zu werden. Da diese Untertassen einen hohen Rand haben und dadurch fast wie Tassen aussehen, ist das kein Problem.

Ein wenig Zucker zum Tee? – Im 19. Jahrhundert kein einfaches Unterfangen, denn Kristall- und Würfelzucker gab es damals nicht. Zucker wurde in Form von langen Kegeln, sogenannten Zuckerhüten, vertrieben. Diese wurden dann in der heimischen Küche mit Zuckerzangen mühsam zerkleinert. Die Zuckerzangen von damals sehen dem entsprechend wie grobe Werkzeuge aus. Der Zweck der Zuckerzange änderte sich mit Erfindung des Würfelzuckers und mit ihm ihre Gestalt. Doch der Name blieb, wie bei vielen Dingen, bis heute unverändert.

(Izabela Mihaljevic, wiss. Volontärin)

Über Izabela Mihaljevic

Izabela Mihaljevic war Mitarbeiterin im Städtischen Museum Göttingen.