Die metallisch schillernden Bildplatten sind die Vorläufer der Fotografien auf Papierabzügen. Ute Wrocklage ist freiberufliche Kunsthistorikerin. Für die europäische Datenbank Daguerreobase (http://www.daguerreobase.org/de/) arbeitet sie seit etwa eineinhalb Jahren an der Erschließung privater und institutioneller Daguerreotypie-Sammlungen in Deutschland. Die mit Mitteln der EU finanzierte Datenbank wird von den Fotomuseen in Antwerpen und Amsterdam koordiniert und erfasst Bestände aus ganz Europa. Der derzeitige und stetig wachsende Bestand umfasst etwas mehr als 7.400 Daguerreotypien. Ute Wrocklage ist viel in Deutschland unterwegs. Sie beschäftigt sich schon länger mit Fotografiegeschichte, theoretisch und praktisch. Auch hier in Göttingen hat sie ihre Digitalkamera mit einem speziellen Objektiv dabei, mit der sie die Daguerreotypien und gegebenenfalls dazugehörige Dokumente digitalisiert. Ziel ist es, europaweit einen Überblick über diese einzigartigen Bestände zu bekommen. Über Daguerreobase sind sie jetzt für alle Interessierten zugänglich.
Die verwendeten Materialien der Bildplatten und die involvierten Stoffe des komplexen Verfahrens der Belichtung und Entwicklung (Kupferplatte, darauf lichtempfindliche Silberhalogenide, mit Jod-, Brom- und Chlordämpfen verstärkt, Reduktion zu Silber durch Belichtung, Fixierung durch Thiosulfat- und Zyankalilösungen usw.) machen die Bilder sehr anfällig für schädigende Umweltbedingungen. Dem Verfall will die Fotohistorikerin mit ihrer Dokumentations- und Forschungsarbeit entgegenwirken.
Der Vergleich der Bilder, den die Zusammenführung verschiedener Bestände möglich macht, wirft neue Fragen und Erkenntnisse auf. Was unterscheidet den Göttinger Bestand von anderen Beständen an Daguerreotypien? Einzigartig sei, so Ute Wrocklage, der in sich geschlossene Bestand eines einzigen Fotografen, der etwa 30 Daguerreotypien umfasst. Dieser Fotograf ist Philipp Petri. Der 1800 in Heiligenstadt geborene Petri studierte kurzzeitig in Paris, kehrte nach Göttingen zurück und konnte sich hier als Porzellan- und Glasmaler etablieren, nicht zuletzt, da er in die erfolgreiche Porzellanmalerfamilie Wedemeyer eingeheiratet hatte. Die Gewerbefreiheit brachte einen harten Wettbewerb der Porzellanmaler mit sich, sodass Petri sich auf die Fotografie verlegte. Nach seinem Tod übernahm Sohn Bernhard (1837-1887) das Atelier.

Fotografie auf Papier, Göttingen, 1850-60. Bernhard Petri, Philipps Sohn und Erbe des Petri‘schen Fotoateliers
Von Philipp Petri sind ausschließlich Portraits von Personen im Bestand erhalten. Landschaften oder Architektur seien schneller verloren gegangen oder verworfen worden, erläutert Ute Wrocklage, da Bilder von Familienmitgliedern, Freunden oder Vorfahren sicher einen höheren emotionalen Wert hatten. Es gebe neben Petri weitere Fotografen wie z.B. Carl Ferdinand Stelzner aus Hamburg von denen mehrere Bilder erhalten seien, diese seien jedoch weit verstreut, so Wrocklage. Typisch für Petris Bildarrangements sei darüber hinaus die Verwendung seiner Porzellanmalereien in die Atelierszenerie. So gibt es eine Portrait-Daguerreotypie Petris mit einer von ihm bemalten Pfeife sowie Bilder der Wedemeyer’schen Familie mit deren Porzellanprodukten im Hintergrund.
Die Qualität der gestochen scharfen Bilder überrascht. Auf einer Daguerreotypie ist eine junge Frau mit sieben Kindern abgebildet, alle gut gekämmt, gut gekleidet, die Mutter etwas schmal im Gesicht. Selbst das Karomuster der Sonntagskleider und die feinen Zöpfe sind zu sehen. Ein Moment im Leben einer Familie vor etwa 170 Jahren, festgehalten in feinsten Silberschichten. Es ist die Familie von Philipp Petri, dem bekannten Porzellanmaler und Pionier der Fotografie in Göttingen.

Daguerreotypie, Göttingen, um 1845. Im Zentrum Wilhelmine Petri, geb. Krüger; sie heiratete Philipp Petri 1836. Die beiden älteren Kinder, Marie und Heinrich, stammen aus erster Ehe Philipp Petris mit Emma Wedemeyer.
Mitarbeit: Christian Riemenschneider