Sie ahnten es sicher schon: bei dem Objekt handelt es sich nicht um ein Kunstwerk. Es ist jedoch umso wertvoller, da ein bekannter Göttinger Künstler wahrscheinlich täglich damit arbeitete. Dieser Künstler ist Gottfried Stein und das ist seine Mal- bzw. Mischpalette! – Sozusagen der materialisierte “magische Moment“, in dem aus der Symbiose einzelner Farbkleckse Kunst entsteht.
Gottfried Stein (1915-1999) wurde in Göttingen geboren und studierte an der Werkkunstschule Kassel und an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. 1946 kehrte er, nach einer langen Kriegsgefangenschaft in Frankreich, nach Göttingen zurück. Hier wurde er zu einem gesuchten Porträtmaler, der bald auch über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus Bekanntheit erlangte.
Unter anderem porträtierte er viermal den Nobelpreisträger Otto Hahn, Prinz Louis Ferdinand von Preußen, den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, zahlreiche Göttinger Professoren, den früheren niedersächsischen Ministerpräsident Georg Diederichs, den Schauspieler Eberhard Müller-Elmau, sowie viele weitere bedeutende Persönlichkeiten aus Göttingen und der ganzen Bundesrepublik. Erst letztes Jahr hat das Museum ein Porträt von Gina Wurm, einer Enkelin des Gründers des Göttinger Tageblatts Theodor Wurm, aus den 1950er Jahren übernommen, die Stein in Pastell gezeichnet hat. Neben Personen, malte Stein aber auch Landschaften des Göttinger Umlandes.
Steins Stil lässt Einflüsse des deutschen Impressionismus erkennen. Eine große Bewunderung hegte er für den Berliner Porträtisten Leo von König. Sein Erfolgsrezept war aber eine ganz eigene Malweise, eine charakteristische Handschrift mit der er über Jahrzehnte hinweg jedes Motiv individuell erfasste, sozusagen „aus sich selbst heraus“. Er besaß ein breites maltechnisches Repertoire. Die Leichtigkeit, die die meisten seiner Werke ausstrahlen, kommt durch eine lockere Malweise aus spontanen groben Pinselstrichen und dickem Farbauftrag, den er oft mit einer Spachtel modellierte, zustande. Bei einer solchen Malpraxis wurde die in der letzten Woche vorgestellte Mal-, bzw. Mischpalette wahrscheinlich verwendet. Darüber hinaus schätzte Stein aber auch die Aquarell- und Temperatechnik, sowie Bleistift-,
Ölkreide oder Rötelzeichnung.
Ein „allgemeingültiges Rezept“ für ein gutes Werk existiert eben nicht. Wenn man Gottfried Stein nach einem solchen fragte, antwortete er „Nicht ich male, sondern es malt“.
Abb.1: Gottfried Stein porträtiert Otto Hahn, 1966; Abb. 2: Gina Wurm, Pastell, 1950er Jahre; Abb.3: Eberhard Müller-Elmau, Öl auf Leinwand, 1985
Zitate oben: Schaefer, Kurt-Peter, Ausst. Kat. Städtisches Museum Göttingen, 1990.
(Izabela Mihaljevic, wiss. Volontärin)